In den 1960er Jahren gab es zum Oktoberfest etwas was es heute nicht mehr gibt – die Schausteller verteilten grosszügig Chips für ihre Fahrgeschäfte an die Münchner Polizei. Die Familien der Freunde und Helfer sollten auch Spass haben. Geht heute wegen den Bestechungsregelungen nicht mehr. Waren eben andere Zeiten damals.
Jedenfalls mein Schulfreund Karlis Vater war beim Innendienst und gab die Chips an Sohnemann weiter. Karli lud mich ein und mit einem grossen Beutel Freifahrten ging's auf zur Wiesn. Am Dienstag war Familientag, also alles etwas billiger und in den Kinderhorden fielen wir zwei Solo-Hosenträger eh nicht auf. Für die Verpflegung hatten wir unsere Ersparnisse geplündert und Muttern angeschnorrt. Es war eine Mordsgaudi. Vier mal hintereinander die Bobbahn und ähnliche Magenumdreher mehr. Dazwischen ausgewogene Ernährung in Form von Zuckerwatte, gebrannten Mandeln, Fischsemmeln und Bluna.
Bis ein Schausteller die Polizei informiert haben muss. Zwei Halbwüchsige die jede Menge Chips in den Taschen haben. Ab ging's zur Wiesnwache am Haupteingang. Mein Freund Karli protestierte laut dass wir nichts Böses gemacht hätten und sein Vater wäre auch Polizist usw. usf. Ich machte mir vor Schiss beinahe in die Hose. Wenn das meine Eltern erfahren, habe ich bis an's Ende meines Lebens Hausarrest, oder so ähnlich.
Ein Anruf bei Karlis Vater im Büro in der Ettstrasse klärte die ganze Sache und ab da hatten wir ständig Polizisten in unserer Begleitung. Exklusiver Polizeischutz.
Meine Eltern haben davon nie etwas erfahren – bis ich in der Verjährungsphase war. Karli und ich hatten uns sowieso bei allen unseren Abenteuern geschworen: "Kein Wort an unsere Eltern." Zum Beispiel als wir beinahe einen Dachstuhl in Brand gesetzt hätten. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Schön war die Zeit. 😀
Ich kann kein Unrecht entdecken und was dann damals offizelle Be- und vergünstigung war läuft immer noch - als Beziehung.
AntwortenLöschenEtwas was ich sehr ablehne, es sollte auch ohne Vitamin B funktionieren. Auf dem Dorfe gab es Nachbarschaftshilfe und verpflichtend zum Wohle Gemeinschaft.
Doch Abenteuer und Kinderfreundschaften sind schöne Erinnerungen, manchmal hinterfrage ich auch unseren Blödsinn.
Alles gehört zum Erwachsenwerden dazu!
Fröhlichen Gruß in den Sonntag (ohne Sonne).
Zum Hintergrund – die 1960er und 70er Jahre war in München die große Zeit der Jugendbanden. Berüchtigt waren z. B. die 'Valleys' aus der gleichnamigen Straße. Ihre Spezialität waren u.a. Einbrüche. Unsere legalen Chips hätten also auch aus Einbrüchen stammen können.
LöschenEs war eine wilde Zeit damals in München. Messerstechereien und blutige Schlägereien mit Fahrradketten standen an der Tagesordnung.
Die jüngsten Bandenmitglieder terrorisierten uns Kinder. Standen z.B. nach Schulschluss an den Ausgängen der Schulen, bedrohten uns mit Messern und wollten unser Taschengeld. Wenn du nichts hattest, wurdest du verprügelt. Bis die Polizei eintraf, waren die Jugendlichen schon wieder weg. Geholfen hat uns keiner, wir mussten uns selber wehren. Aber das wäre wieder eine andere Geschichte. ;-)
Es waren damals alles Deutsche in den Münchner Jugendbanden. Deshalb kann ich heute nur drüber lachen wenn die AfD-Faschisten was von der "guten alten Zeit" faseln "als es hier keine Ausländer gab". Eine der vielen Propaganda-Lügen der AfD.
Lieben Gruß!
H. hatte einen väterlichen Freund bei der damals noch Münchner Stadtpolizei. Dieser bekam mehr als Chips und zahlte es durch sein Engagement vielfach zurück.
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LöschenStimmt, es hieß Stadtpolizei und dass da auch bestechliche Beamte dabei waren ist natürlich möglich. Ob die heutigen Regelungen deshalb Bestechung verhindern, wage ich zu bezweifeln. Amigo-Country eben.
LöschenH. ist Hauptschulblues und will nicht anonym bleiben.
AntwortenLöschenHier darf jede/r kommentieren, ob Ana Nym oder nicht. Unflätige Kommentare + Beleidigungen werden dann einfach gelöscht.
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